Diese Woche vor Pfingsten war ja für Anhänger von Google und Verfechter der reinen Jelly Bean-Lehre wie Weihnachten und Ostern zusammen. Alle anderen müssten sich eigentlich an den Kopf fassen und laut Aufschreien. Stattdessen Jubel allenthalben. Es ist etwas faul im Staate Dänemark.
Nexismus siegt an allen Fronten – Weniger ist mehr ist falsch!
Was falsch läuft ist die Tatsache, dass sich zumindest im deutschsprachigen Raum eine Unsitte im Android-Kosmos festgesetzt hat, die allen ursprünglichen Daseinsbegründungen von Android diametral entgegengesetzt zu liegen scheint. Android war als kunterbunte und entwicklungsoffene Alternative zur Uniformität von iOS gestartet: ein Smartphone, ein Betriebssystem, ein ideeller, indes nicht idealer, Führer in Form von Steve Jobs. Bekanntlich ist Steve Jobs verstorben und auch sonst ist das Pendel stark in Richtung Google und Android ausgeschwenkt. Nur Ewiggestrige, Fanboys und der umcoole, weil er in Smartphones kein Lifestyle-Statement sieht, Durchschnitts-Handybesitzer kaufen sich noch Apple-Produkte. Wir sollten eigentlich damit zufrieden sein, denn unser Werk ist mehr oder weniger vollbracht. Doch mit dem Paradigmenwechsel zugunsten des „niedlichen“ Androiden ist gleichwohl keine Pluralität eingekehrt, dieser Pyrrhus-Sieg ist teuer erkauft und scheint an die Prämisse geknüpft zu sein, dass sich im Grunde an der Ausgangslage nichts ändern darf: ein dominierendes System muss bestehen, und wenn auch die einzelnen Marktanteile etwas gleichmäßiger verteilt sein können: im ideologischen Grabenkrieg darf es jeweils immer nur eine dominante Meinung geben. Diese tritt bei Android in Form der Ideologie des Nexismus auf.
Wenn alles beim Alten bleiben soll, dann muß alles sich ändern.“
(Il Gattopardo)
Sie ist falsch und unaufrichtig, da sie unter dem Deckmantel einer Befreiungsideologie auftritt, sie verheißt die Befreiung von Kontrolle, Bevormundung und Zwang zur Konformität. Doch es sind eben diese Merkmale, die Anhänger des Nexismus bekämpfen. Es wird gejubelt, wenn ein hochwertiges Smartphone wie das Samsung Galaxy S4, in allen Belangen auf Höhe der technologischen Zeit, zwangskastriert wird. Nexus-Erlebnis wird das Ganze getauft, genauso teuer auf den Markt geworfen, beraubt all seiner Zusatzfunktionen und mit dem einzigen offensichtlichen Vorteil versehen, nämlich dem, ganz auf der Google-Linie getrimmt worden zu sein: eine einheitliche Bedienung, gleiche UI und regelmäßige Software-Updates: das klingt doch stark nach Apple und iOS, nicht wahr, liebe Nexismus-Gemeinde?
„Updates sollen dann in Zukunft ebenfalls von Google und zeitnah kommen, wir haben also quasi ein Samsung Galaxy S4 mit den Vorteilen eines Nexus-Gerätes. Das ist ein ziemlich großes Thema meiner Meinung nach, denn das Galaxy S4 könnte nur der Anfang sein. Vielleicht werden andere Partner hier nachziehen und ihr Flaggschiff ebenfalls mit Stock-Android bei Google anbieten. Wünschenswert wäre es, was denkt ihr?“ (mobiflip.de: Google macht Samsung Galaxy S4 offiziell zum “Nexus-Smartphone”)
Bild: endoplast.de
Gib Google, was Google gebührt!
Es bleibt zuweilen rätselhaft, auf welcher Grundlage man argumentativ operiert: worin etwa sind die Vorteile schnellerer Updates zu sehen, wenn neue Versionssprünge von Android entweder verschoben werden (Android 4.3, Android 5, Key Lime Pie oder wie immer man das Kind nun schimpfen mag) oder eine Verschlimmbesserung darstellen? Kritik an Google scheint verpönt zu sein: das mag mit der marktbeherrschenden Stellung zu tun zu haben, vielleicht getrieben von Angst, aus den Google Suchergebnisse zu fliegen. Also liefert man lieber im vorauseilendem Gehorsam Google das, was Google will.
Ironie der Geschichte: nicht Google und Android, sondern Samsung und Galaxy haben den Sieg im Massenmarkt gebracht: die letzteren Begriffe sind es, die fast synonym für Android-Geräte verwendet werden. Also gehen Samsung und Google eine unheilige Allianz ein: Google kooperiert mit den Südkoreanern, weil man sich mehr Absatz und die Etablierung der eigenen Marke verspricht. Samsung dagegen möchte womöglich auf diese Weise eine noch größere Stamm-Userschaft aufbauen, die man dann eines Tages auf das eigene Betriebssystem Tizen locken kann. Zunächst gilt es, zusammen etwaige Dritte auszustechen: andere Hersteller wie LG, HTC und Konsorten genauso wie andere mobile Betriebssysteme wie Windows Phone 8 oder iOS. Was danach passiert, machen die beiden untereinander aus.
„Jede anti-imperialistische Gruppe, wie die unsere, muss eine solche Interessendivergenz innerhalb ihrer Machtbasis reflektieren.“
Das traurige am Ausbleiben jedweder Kritik: sie bleibt freiwillig aus, ohne eigenes Zutun seitens Google. Es bedarf da keiner großen Verschwörungstheorie und geheimer Zusatzabkommen. Einzige Zutat ist der naive Glaube an die guten Absichten EINER einzigen Firma. Wenn man ein Bild der Zukunft am Android-Himmel haben will, so muss man sich nicht immer einen Stiefel vorstellen, der auf ein Gesicht tritt- schon gar nicht unaufhörlich. Es könnte aber sein, dass das was man kauft, nicht unbedingt das ist, was man hätte erhalten können. Zu Glauben, Google würde erst ein uniformiertes Android schaffen, um danach auf breiter Basis für viele Innovationen zu sorgen, ist naives Wunschdenken.