Ich mag Surfshark. Das VPN läuft auf all meinen Geräten, lässt sich ohne Bastelorgien einrichten und war bislang der seltene Fall, bei dem Preis, Performance und Datenschutz halbwegs zusammenpassen.
Wenn jemand in meinem Umfeld nach einem VPN fragt, das nicht nach Malware riecht oder 12 Euro im Monat kostet, lande ich fast immer bei Surfshark. Und trotzdem – diese neue Ankündigung ließ mich die Stirn runzeln: 100 Gbps-Server in Amsterdam. Klingt nach Zukunft. Aber die Praxis ist, wie so oft, ein bisschen weniger spektakulär.
Surfshark will zeigen, dass VPNs keine Bremse sind
Die Zahl klingt absurd hoch: 100 Gigabit pro Sekunde. Zum Vergleich: Die meisten VPN-Server im Markt hängen an 1–10 Gbps-Leitungen.
Das Upgrade bedeutet also, Surfshark kann auf einem einzelnen Server theoretisch zehnmal so viele gleichzeitige Verbindungen bedienen, ohne dass jemand in der Warteschlange landet. Das ist wichtig, weil VPNs heute nicht mehr das Nischen-Tool von Torrent-Freaks sind, sondern Infrastruktur: Streaming, Homeoffice, Gaming, Cloud-Sync.
Ich kenne das selbst: Wenn ich spät abends noch ein Backup über iCloud laufen lasse und gleichzeitig eine Linux-ISO ziehe, kann ein mittelmäßig ausgelasteter Server die Performance sichtbar einbrechen lassen. Mit 100 Gbps passiert das seltener – der Flaschenhals verschiebt sich Richtung Nutzer, nicht mehr Richtung Anbieter.
Aber was heißt das für dich?
Zunächst mal: Es ändert an deiner Downloadrate gar nichts. Du wirst nicht plötzlich mit 100 Gbps surfen. Die Zahl beschreibt die Gesamtkapazität, die sich alle Nutzer auf diesem Server teilen.
Es ist wie bei einem Autobahnkreuz mit zehn neuen Spuren: Du fährst nicht schneller, aber du stehst seltener im Stau.

Surfshark zielt damit auf Stabilität, nicht auf Höchstgeschwindigkeit. Wenn du 1 Gbit/s zuhause hast, kannst du damit vielleicht häufiger ans Limit deiner Leitung kommen – nicht, weil der Server mehr „drückt“, sondern weil er seltener überfüllt ist. Bei 200 Mbit-Anschlüssen wirst du kaum einen Unterschied merken, außer dass die Verbindung konstanter bleibt.
Und genau das ist der Punkt, an dem Surfshark clever agiert: Sie machen das Netz robuster, nicht prahlerischer.
Die große Frage: „World’s first“ – oder einfach nur laut?
Surfshark nennt das Ganze „world’s first 100 Gbps VPN servers“. Ich hab nachgeprüft. ProtonVPN? In der Serverübersicht steht weiterhin „bis zu 10 Gbps“. Mullvad? Ebenfalls durchgehend 10 Gbps-Einträge. OVPN? Zwischen 1 und 40 Gbps, je nach Standort. Selbst ExpressVPN spricht öffentlich nie von höheren Bandbreiten.
Ich habe keinen einzigen belastbaren Hinweis gefunden, dass ein anderer großer Anbieter vor Surfshark produktiv 100 Gbps-Server eingeführt hat (Stand: Oktober 2025). Das bedeutet: Der Claim ist technisch plausibel – aber bleibt Marketing, solange nur ein Standort (Amsterdam) ausgebaut ist.
Was wirklich zählt: Latenz, Routing und Protokoll
Die reine Bandbreite ist nicht der einzige Faktor. Ein VPN kann 100 Gbps an Backbone-Kapazität haben und trotzdem träge wirken, wenn das Routing mies ist oder zu viele Hops dazwischenliegen.
Ich hab in den letzten Monaten genug getestet, um zu wissen: Ein sauber konfigurierter WireGuard-Server mit 10 Gbps schlägt jeden überladenen 100 Gbps-OpenVPN-Knoten.
Die gute Nachricht: Surfshark hat in den letzten Jahren ein recht stabiles Netzwerk aufgebaut.
Ich merke das, wenn ich nach Feierabend noch große Dateien in die Cloud schiebe oder über ein VPN-Tunnel den halben Tag im Browser verbringe – die Verbindung bleibt einfach stehen.
Kein nerviges Einfrieren, keine Hänger beim Seitenaufbau.
Wenn die neuen 100-Gbps-Server in Amsterdam diesen Zustand länger halten können, selbst wenn halb Europa abends online ist, dann ist das genau die Art von Fortschritt, die mir gefällt: unspektakulär, aber spürbar.
Ein bisschen Größenwahn gehört dazu
Ich verstehe, warum Surfshark diesen Schritt so laut bewirbt. Im VPN-Markt ist jeder zweite Satz ein Superlativ. „Schnellstes VPN“, „bester Schutz“, „null Logs“ – alles inflationär. Mit echten Infrastruktur-Upgrades kann man sich endlich mal wieder positiv abheben, und das tun sie. Die Frage ist, ob’s reicht, um langfristig etwas zu verändern.
Wenn Surfshark die 100 Gbps-Server wirklich europaweit ausrollt, wird das Netz spürbar entlastet.
Wenn es aber bei einem Prestige-Projekt in Amsterdam bleibt, verpufft der Effekt – dann ist es PR.
Mein Fazit

Ich mag die Richtung. Surfshark investiert in Infrastruktur, aber halt auch in Kampagnen. Das ist selten genug, um positiv aufzufallen. Aber der Hype um „weltweit erste 100 Gbps-Server“ bleibt übertrieben, solange wir nicht sehen, dass Nutzer weltweit davon profitieren.
Es ist kein Quantensprung – es ist Wartungsarbeit auf hohem Niveau. Und genau das braucht die Branche: weniger Buzzwords, mehr Backbone.